Edler Austerngenuss und erlesene Grand Crus

Ein Teller Austern für 15€, eine Flasche Château d’Yquem für 525€ - ein Reisebericht von Simon Felix

Die Region Bordeaux ist weltweit berühmt für seine erstklassigen Weine. Die Bezeichnung Grand Cru entstand im Zusammenhang mit der Weltausstellung von Paris im Jahr 1855. Damals wurde zum ersten Mal die Klassifizierung, die auf der Qualität der Weine basiert, der Châteaux im Médoc sowie in Sauternes und Barsac vorgenommen. Die Weine von Saint-Émilion wurden erst hundert Jahre später klassifiziert.

Meine Reise durch die Weingebiete der Region Bordeaux führt mich zu verschiedenen Châteaux der Grand Crus Classé, die wiederum unterteilt sind. Das Château d’Yquem in Sauternes wird als Premier Cru Supérieur bezeichnet. Das in unmittelbarer Nachbarschaft liegende Château d’Arche hat die Klassifizierung Deuxième Cru Classé.

Doch bevor es zu dem edlen Tropfen geht, fahre ich diesem heissen Juni-Samstag zuerst einmal ans Meer. Vom Flughafen steuere ich direkt das rund 60 Kilometer südwestlich von Bordeaux liegende Küstenstädtchen Arcachon an.

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Arcachon, das Austernparadies

Der beliebte und charmante Ferienort bietet eine Mischung aus Strandleben und Naturerlebnissen. Hauptattraktion ist die Düne von Pilat, die grösste Düne Europas, welche sich über 2.7 Kilometer erstreckt und bis zu 110 Meter hoch ist. Für Feinschmecker sei hier das Hôtel Restaurant La Co(o)rniche erwähnt. Das Hauben-Restaurant (12 Gault & Millau-Punkte) bietet eine Terrasse mit einem traumhaften Ausblick auf die Dünen und auf Cap Ferret.

Im Grand Hôtel Richelieu habe ich ein Zimmer mit Meerblick reserviert und geniesse nach meiner Ankunft zuerst einmal den Ausblick auf die Bucht von Arcachon mit der Strandpromenade und dem grossen Sandstrand. Danach zieht es mich an den Strand, wo mich ein erfrischendes Bad im kühlen Atlantik erwartet.

Nach einem kurzem Sommergewitter erkunde ich den Ort mit seinen hübschen Gebäuden im Stil des 19. Jahrhunderts und einer belebten Promenade, auf der man Restaurants, Geschäfte und Cafés findet. In einer Bäckerei probiere ich einen Cannelé, ein typisches Gebäck aus der Gironde, dass wie ein kleiner Gugelhopf aussieht und mit einer karamellisierten Kruste überzogen ist.

Arcachon ist auch für seine Austernzucht und seine hervorragenden Meeresfrüchte bekannt. Aufgrund der reichen Nährstoffe im Wasser und der salzhaltigen Umgebung bietet die Bucht von Arcachon ideale Bedingungen für die Zucht von Austern. Wer mehr über die Muscheln erfahren möchte, dem empfiehlt sich eine Führung bei einem Austernzüchter. Wer die Austern einfach nur geniessen will, der sitzte einfach in das nächste lokale Restaurant. Für rund 15 Euro werden dort sechs Stück der Grösse Nummer 3 serviert.

Mein Tipp: Frische Austern und weitere regionale Köstlichkeiten werden auch in der Markthalle am Place des Marquises (Les Halles d’Arcachon) angeboten. Diese ist jeweils von Dienstag bis Sonntag von 7:30 bis 13:00 Uhr geöffnet und ein Besuch lohnt sich.

Sauternes und die besten Süssweine der Welt

Meine Reise führt mich weiter in das Weingebiet Sauternes, dass für seine für seine edelsüssen Weine weltbekannt ist. Die Besonderheit von Sauternes-Weinen liegt in ihrer Herstellung. Die Trauben, die für diese Weine verwendet werden, sind hauptsächlich Sémillon, Sauvignon Blanc und Muscadelle. Die Weinberge liegen zwischen, dem aufgrund der umsäumenden Bäume, kühlen Fluss Ciron und dem wärmeren Fluss Garonne. Diese Kombination schafft die perfekten Bedingungen für die Bildung von Edelfäule, auch als "Botrytis cinerea" bekannt. Diese Edelfäule führt dazu, dass die Weintrauben schrumpfen und Wasser verlieren, wodurch der Zuckergehalt und die Konzentration der Aromen in den verbleibenden Weintrauben zunehmen. Dieser Prozess verleiht den Sauternes-Weinen ihren charakteristischen süssen Geschmack. Die Ernte dieser Weintrauben erfolgt von Hand und ist sehr arbeitsintensiv. Das erklärt die hohe Qualität und der hohe Preis der Sauternes-Weine.

Das Château d’Arche gehört zu den Grand Cru Classé und liegt erhöht am Ortsrand von Sauternes. Das Anwesen aus dem 17. Jahrhundert bietet acht Hotelzimmer mit Blick auf die Reben. In einem dieser Zimmer übernachte ich und fühle mich dabei ein wenig als Schlossherr. 

Besuch des Châuteau d’Yquem

Das erste Mal hörte respektive las ich über Château d’Yquem, als ich den Roman «Sterben wie Gott in Frankreich» gelesen hatte. In dessen Handlung werden sechs Flaschen des legendären Jahrgang 1784 aus einem Grab gestohlen. Nun stehe ich mitten in dem geschichtsträchtigen, über 400 Jahre altem Château, das mit Premier Cru Superiéur klassifiziert ist und werde vom Miguel empfangen. Der Franzose, dessen Vater aus Spanien immigrierte, führt mich durch das Anwesen und erzählt mir, dass bei der Weinlese über hundert, meist langjährige, Erntehelfer in den Reben arbeiten. Sie pflücken die edelfaulen Beeren mit aller Sorgfalt und einzeln von Hand. Um den hohen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden, respektive die Beere im richtigen Moment zu lesen, kann sich dieser Prozess auf bis zu elf Durchgänge erstrecken. Die Ernte dauert mehrere Wochen und pro Rebstock ergibt sich nur ein Glas Wein. Das erklärt auch den offiziellen Preis von 525 Euro für eine Flasche Château d’Yquem. Liebhaber von bestimmten Jahrgängen zahlen ein Vielfaches mehr. So ist es auch ein besonderes Gefühl, als wir uns zum Weinkeller begeben. Als würde ich eine Schatzkammer betreten. Am Schluss der Besichtigung führt mich Miguel in das Chemineé-Zimmer und fragt mich, welche Musik ich zu der Verkostung hören möchte. Danach serviert mir jeweils ein Glas des Jahrgang 2005 und 2015. Die Weine sind ein Gedicht und purer Genuss. Der Besuch von Château d’Yquem gehört für mich als Weinliebhaber sicher zu den besonderen Momenten in meinem Leben.

Château Lafaurie-Peyraguey und der Schweizer Schlossherr

Die Wege in Sauternes sind kurz. Nur 1.4 Kilometer südlich befindet sich das Château Guiraud, dass als Premier Cru klassifiziert ist. Hier geniesse ich mein Mittagessen im gediegenen Restaurant La Chapelle, dass vorzügliche französische Küche anbietet. Selbstverständlich mit einem Glas Wein des Hauses.

Am Nachmittag werde ich auf dem Château Lafaurie-Peyraguey, Premier Grand Cru Classé von 1855, erwartet. Es befindet sich in Bommes und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Château d’Yquem. Es wurde 1618 gegründet und gehört seit 2014 zur Lalique Group des Fricktaler Unternehmers Silvio Denz. Das schöne Anwesen beherbergt auch ein Hotel mit dreizehn Zimmern sowie das 2-Sterne Restaurant LALIQUE, welches von Elsässer-Küchenchef Jérôme Schilling geführt wird.

Die Führung beginnt mit einem Blick auf die Reben um das Château. Weiter geht es in den Weinkeller, wo die edelsten Tropfen reifen. Höhepunkt meiner Führung ist ein besonderer Schatz: Ein von Lalique gefertigtes Weinfass aus Kristall, dass mit 225 Liter Château Lafaurie-Peyraguey 2013 Premier Grand Cru Classé gefüllt ist. Die Herstellung des Fasses dauerte über zwei Jahre und ist eine technische Meisterleistung. Wenn der Wein in ein paar Jahrzehnten in Flaschen abgefüllt wird, sollte er sich im Gegensatz zu Holzfässern, nicht verändert haben. Am Schluss der Führung erfolgt die Degustation von 3 Weinen. Selbstverständlich in speziellen Weingläsern von Lalique.

Zurück nach Bordeaux

Ich fahre zurück nach Bordeaux. Die Stadt ist weltberühmt für seine exzellenten Weine, bietet historische Architektur, eine reiche Kultur und eine Fülle von Sehenswürdigkeiten, Boutiquen, Feinkostläden sowie ein breites Gastroangebot. Ich mag es durch die Strassen der Altstadt zu schlendern und das Ambiente sowie das entspanne Lebensgefühl von Bordeaux zu geniessen.

Ich gebe meinen Mietwagen ab und checke im Best Western Premier Hotel Bordeaux Bayonne Etche-Ona ein. Das Hotel liegt nur einen Steinwurf vom Place de la Comédie, mitten im Zentrum. Die Zimmer sind zwar sehr klein, aber das Leben in Bordeaux findet ja nicht im Hotel statt. Die Lage ist ein guter Ausgangspunkt für meine weiteren Aktivitäten. Bevor es an das Fête le Vin geht, werde ich noch zwei Weintouren meiner Partner in Bordeaux «testen».

St. Emilion, das weltbekannte Dorf

Unsere kleine Gruppe umfasst sechs Personen aus den verschiedensten Teilen der Welt. Wir verlassen Bordeaux und fahren wir mit dem Minivan in Richtung Saint-Émilion. Karim, unser Fahrer und Reiseleiter, hat sich sein bereites Weinfachwissen bei der renommierten Wine & Spirit Education Trust (WSET) angeeignet.

Nach rund einer Stunde Fahrt, auf der wir über Weine aus aller Welt plaudern, erreichen wir das Château de Sales, wo uns Monsieur Acer für die Besichtigung mit anschliessender Degustation empfängt.

Das Château de Sales liegt im Nordwesten der Appellation Pomerol und erstreckt sich über 90 Hektaren, wovon 47.6 Hektaren Rebfläche sind. Es ist der grösste Weinberg der AOC Pomerol.

Das schöne Anwesen befindet sich seit dem 16. Jahrhundert im selben Familienbesitz und produziert exzellente Rotweine, die wir natürlich auch degustieren.

Unsere Fahrt führt uns weiter nach Saint Emilion. Der Weinkeller des Château Franc Mayne befindet sich einen unterirdischen Steinbruch. Wir schreiten durch ein Tunnelsystem, in dem Dunkelheit und kühle Temperaturen herrschen. Hier lagern, teilweise hinter verschlossenen Gittern, die edlen Weine der Grand Cru Classé, welche aus 100% Merlot bestehen. Das Château Franc Mayne verfügt über 7 Hektaren Rebfläche und die Ernte erfolgt ausschliesslich von Hand. Für die Degustation fahren wir in eine Weinhandlung auf dem Place de I'Eglise Monolithe in Saint Emilion.

Nach dem Mittagessen schlendern wir durch die malerischen Gassen von Saint Emilion. Zahlreiche Restaurants und Weinhandlungen prägen das Bild des historischen, weltbekannten Ortes. Im den Weinhandlungen werden auch die Spitzenweine der Region zum Verkauf angeboten. Auf einem Schild entdecke ich einen Château Petrus, Jahrgang 1945 zum Preis von 14'000 Euro. Ob es ein Schnäppchen ist? Leider habe ich nicht so viel Euro dabei. 

Die Weine im Château Palais Cardinal, wo unser nächster Besuch stattfindet, sind um einiges günstiger als der Petrus. Und sie munden hervorragend. Der Önologe Maxime führt uns in die Weinverkostung ein und gibt uns Tipps, wie wir Weine professionell degustieren. Zu den Weinen, die wir probieren, steht jeweils ein Stück dunkle Schokolade bereit. Dies bietet nochmals ein besonderes, unterschiedliches Geschmackserlebnis. Zum Schluss bietet uns Maxime noch etwas Exotisches an: Einen vorzüglichen Calvados aus der Normandie.

Auf der Rückfahrt nach Bordeaux testet Karim unseren Geschmacksinn. Er verteilt Fläschchen mit verschiedenen Aromen, die in den Weinen vorkommen. Wir müssen raten, welchen Geschmack es ist. Dabei droht er uns, dass wir zu Fuss nach Bordeaux müssen, wenn wir es nicht wissen. Einfach war es nicht und er drückte wohl beide Augen zu. Alle wurden zurück nach Bordeaux chauffiert.   

Médoc - Spitzenweine entlang der Gironde

Für meine zweite Tour ab Bordeaux habe ich eine Halbtages-Tour ins Médoc gewählt. Wiederum sind wir eine Kleingruppe, diesmal sind mit Ausnahme von mir, alle aus Übersee.

Unser erster Stopp findet im Château Siran in Margaux statt. Das Château wird seit über 160 Jahren von der Familie Miailhe geführt und ist als Cru Bourgeois Exceptionnel eigestuft. Dies, weil bei der Klassifizierung von 1855 die damaligen Besitzer die Einladung zur Aufnahme in diese „bonapartistische Klassifizierung“ ablehnten. Im Château ist auch eine Kunstsammlung untergebracht, welche wir bei unserem Besuch besichtigen durften.

Unsere Fahrt führt uns weiter, vorbei an Reben und weltbekannten Weingüter wie Château Margaux oder Château d`Issan. Bevor es zum Château Marquis de Terme geht, stoppen wir in einem Rebberg, der uns einen tollen Blick auf das Château Palmer gewährt, nehmen einen Aperitif und geniessen die Umgebung.

Das Château Marquis de Terme erstreckt sich auf 40 Hektaren und besteht seit über 260 Jahren. Bei der Klassifizierung von 1855 wurde es als Quatrième Grand Cru Classé eingestuft. Nach der Besichtigung des Anwesens wird unsere Degustation mit Käse, Charcuterie und Schokolade begleitet.

La Cité du Vin

Dieses moderne Weinmuseum wurde 2016 eröffnet und ist ein Paradies für Weinliebhaber. Es bietet interaktive Ausstellungen über Weinherstellung, Weinproben und eine beeindruckende Weinbibliothek. Regelmässig werden Weinseminare, Workshops und Veranstaltungen angeboten, bei denen die Besucher mehr über Weinherstellung, Degustationstechniken und Weinpaarungen erfahren können. Ein Highlight ist zudem die Panoramaaussichtsplattform, wo man bei einem Glas Wein die atemberaubende Aussicht über Bordeaux geniessen kann. Der Guide von meinem Tourenanbieter empfahl mir, zwei Stunden für den Besuch einzurechnen. Die zwei Stunden reichen mir nicht. Ich bin so begeistert, dass ich den ganzen Tag dort hätte verbringen können. Aber das Fête le Vin wartet auf mich.

Fête le Vin

Zum Abschluss meiner Bordeaux-Reise nehme ich am Fête le Vin teil.  Das mit über 700'000 Besuchern weltweit grösste Weinfestival findet neu jährlich auf den Quais entlang der Garonne statt. Für 19 Euro kaufe ich mir einen Weinpass, der es mir ermöglicht, 11 Weine aus 80 Appellationen zu degustieren. Das Weinglas gibt’s dazu.  Als ich am frühen Abend eintreffe, ist die Besucherzahl noch moderat. Am Abend ist dann richtig voll und man muss bei den Weinstationen anstehen. Selbstverständlich ist auch für das Kulinarische gesorgt. Es werden verschiedene Leckereien aus der Region angeboten. Ich komme mit einem Austernzüchter aus Arcachon, der mit einem Messer und geschickten Bewegungen Austern aufschneidet, ins Gespräch. Als ich ihm erzähle, was ich in Bordeaux mache, gibt er mir seine Karte und teilt mir mit, dass er auch Führungen durch seine Zucht anbietet. Zum Abschluss meiner Reise entschliesse ich mich, nochmals Austern aus Arcachon zu verspeisen. Dazu trinke ich einen trockenen Schaumwein. Das ist Leben wie Gott in Frankreich. Der Abend und somit meine Reise endet mit einer eindrücklichen Drohnenshow. Meine Woche im Bordeaux war wunderbar. Ich komme wieder.